Ein wichtiger Baustein für die Orgelbibliothek
Fünfeinhalb Jahrhunderte niedersächsische Orgelgeschichte wurden in einem Buch zusammengefasst
Niedersachsen, das Land zwischen Elbe und Ems, zwischen dem hessischen Kassel und der Freien und Hansestadt Hamburg, ist für die Freunde der Orgel ein besonders reiches Gebiet der Bundesrepublik, in dem es nahezu hinter jedem Ortsschild etwas zu entdecken gibt. Ob man sich nun in das Städtedreieck Braunschweig - Hildesheim - Göttingen begibt oder zwischen Dollart und Jadebusen die Gegend erkundet, ob man Lüneburg erobert oder die Schönheiten des Alten Landes zwischen Hamburg und Cuxhaven auf sich wirken lassen will, überall stößt man auf sehenswerte Instrumente, die zum verweilen einladen, so denn die dazugehörigen Kirchen geöffnet sind. Etwas ganz besonderes ist natürlich, dass man hier fünfeinhalb Jahrhunderte Orgelgeschichte erleben kann, denn mit dem Instrument in Rysum beherbergen die Niedersachsen die wohl älteste noch spielbare Orgel Deutschlands in ihren Grenzen.
Wem es zu ungewiss ist, aufs Geratewohl in den Norden zu reisen und auf Entdeckungstour zu gehen, dem sei das Buch "Orgeln in Niedersachsen" empfohlen, das einen großen Überblick über die zu findenden Kostbarkeiten bietet. Auf 384 Seiten haben unter der Federführung von Prof. Harald Vogel haben verschiedene Autoren einen organologischen Reiseführer auf die Beine gestellt, der sich sehen lassen kann und dessen Lektüre eigentlich nur eins zur Folge haben kann: Koffer packen und hinfahren. Herausgeber des glänzenden Bandes ist die Niedersächsische Sparkassenstiftung, die sich hiermit einen großen Verdienst um die Orgel erworben hat.
Eröffnet wird das Buch mit etlichen Einführungen, die sich mit der Historie des Orgelbaus allgemein, der Funktion der Orgel im Zusammenhang mit der Liturgie und der Orgelbewegung und ihre Auswirkungen nach 1950 beschäftigen. Anschließend gibt es noch geschichtliche Betrachtungen zu den niedersächsischen Orgellandschaften wie etwa Ostfriesland, Braunschweig oder Südniedersachsen. Es folgen insgesamt 76 Instrumente in teilweise sehr umfangreicher Einzeldarstellung, chronologisch geordnet und beginnend beim schon erwähnten Instrument in Rysum. Beschlossen wird dieser Teil nach Stationen etwa bei Arp Schnitger und seiner Schule, dem Rokoko und natürlich auch der Romantik mit der großen, symphonischen Orgel von Gerald Woehl in der Cuxhavener St. Petrikirche. Dabei enthalten die einzelnen Beiträge nicht nur sehr exakte Angaben zu den Instrumenten sondern auch zum geschichtlichen und architektonischen Umfeld. Beschlossen wird das Buch durch die Dispositionen aller in der Einzeldarstellung aufgeführten Instrumente. Auch hier lässt der wissenschaftliche Eifer der Autoren nichts zu wünschen übrig. Soweit möglich, werden die verschiedenen Entwicklungen der Dispositionen aufgezeichnet, es gibt Angaben dazu, welcher Orgelbauer für welche Teile des Instrumentes verantwortlich zeichnet und darüber hinaus kann man nachlesen, auf welchem Winddruck die Orgel steht, welche Tonhöhe sie hat und welche Stimmung.
Ist das Buch an sich schon aller Anerkennung wert, muss man Volkhard Hofer, der die Fotos geliefert hat, ein ganz besonderes Kompliment machen. Man sollte es nicht glauben, aber das Fotografieren einer Orgel ist eine ganz besondere Kunst, die insbesondere im Bereich des Ausleuchtens ein hohes Fachwissen erfordert. Hier lobt in der Tat das Werk den Meister. Es ist eine Freude, die Abbildungen zu betrachten. Unterstrichen wird die exquisite Qualität der Bilder durch vier Fotos, die den Archiven von drei Orgelbaufirmen entnommen sind und die Probleme einer guten Orgelfotografie deutlich machen.
Auch für Orgelfreunde, die nicht unbedingt die großen Anhänger der norddeutschen Orgelkultur sind, ist dieses Buch ein interessanter und wichtiger Baustein für die Bibliothek, gibt es doch einen ausgezeichneten Einblick in die Entwicklung einer der bedeutendsten Orgellandschaften unseres Landes.
Harald Vogel - Günter Lade - Nicola Borger-Keweloh
Orgeln in Niedersachsen
384 Seiten mit 170 Abbildungen, davon 150 in Farbe
Verlag H. M. Hauschild GmbH, Bremen
ISBN 3-931785-50-5
Preis: 43,- Euro
Gerhard W. Kluth