von Prof. Franz Ronig
Bei einem Spaziergang durch das malerische Städtchen Bouzonville (Busendorf) in Lothringen – nicht weit vom saarländischen Niedaltdorf – entdeckte der Berichterstatter vor einigen Jahren in einer hübschen Papeterie und Librairie ein dickes Buch, das (zusammmen mit zwei weiteren zu erwartenden Bänden) die in der Region Lothringen stehenden Orgeln inventarisiert. Inzwischen sind zwei weitere Bände erschienen. Diese drei Bände, 1994, 1995 und 1997 in den Editions Serpenoise zu Metz (Association d’Etude pour la Coordination des Activités Regionale Musicale) erschienen, legen eine Orgelinventarisation Lothringens (im Bereich des Departements Moselle) vor. Behandelt werden die Orte von A bis G (Bd. 1), H bis Mi (Bd. 2) und Mo bis Sa (Bd. 3). Der vierte Band steht noch aus. Die Seitenzahlen der drei Bände sind durchnummeriert: 1970 Seiten für die ersten drei Bände, viele Abbildungen. Im ersten Band (S. 13) war angekündigt, das Inventar auf drei Bände zu beschränken. Da dieses Programm sich wohl als zu eng erwies, steht ein vierter Band noch aus. Der genaue Titel lautet: „Orgues de Lorraine, Moselle“. Erschienen sind die umfangreichen Bände im „Inventaire National des Orgues“. In dieser Reihe sind bereits die uns wegen der Nachbarschaft zum Trierer Land ebenfalls interessierenden Bände Meurthe et Moselle, Vosges und Meuse erschienen. Viele Autoren haben zusammengewirkt, noch mehr Wissenschaftler haben die Inventare gegengelesen.
Das Editonsprinzip ist bewundernswert klar und auch konsequent durchgehalten. In der Einleitung, wird es S. 15–17 vorgestellt (und in jedem Band am Anfang wiederholt). Es ist für jeden Fachmann und jeden Interessierten nützlich, die geforderten und angewandten Prinzipien und auch die Kriterien der Orgelinventarisation nachzulesen. Es werden genannt: die Kommune, das Gebäude (in dem die Orgel steht), der Kanton, der Eigentümer, die denkmalpflegerische Klassifikation, ja sogar die Stelle, wo der Schlüssel für die Orgel zu haben ist. Es werden außerdem aktuellen Organisten auch die Organisten genannt, die das Instrument früher gespielt haben. Das Instrument selbst wird genauestens beschrieben: vom Platz der Aufstellung über die Akustik, die ausführliche (!) Geschichte bis hin zum Zustand; selbst skandalöse Zustände (sonst gerne verschwiegen) werden beschrieben und mitunter auch abgebildet. Die präzise Detailbeschreihung folgt einem eigenen Schema: „Composition“, (Disposition bis in die Details der Angabe über Pfeifen), „Sommiers“ (Werke), „Console“ (Manuale, Pedale, Spieltisch oder Spielschrank), „Transmission“ (Traktur), „Tuyauterie“ (Pfeifenwerk), „Diapason“ (Stimmung und Stimmart), „Soufflerie“ (Windversorgung). – Außerdem werden die historischen Quellen und die Literatur benannt. – Akten, Angebote und Rechnungen sind häufig in Transkription beigefügt.
Als besonders wichtig erscheint dem Denkmalpfleger, Organologen und Orgelliebhaber, daß keine zeitlichen oder qualitativen Grenzen gesetzt sind; alle Orgeln werden, soweit sie bereits gebaut sind – und sogar die zerstörten! – erfaßt. So soll jede Subjektivität in der Auswahl ausgeschlossen sein. Sogar eine (stark beschädigte) Hauswalzenorgel ist aufgeführt, die einmal dem Tanzunterricht der Mädchen eines katholischen Internates diente (III, 1596f.). Das Editionswerk setzt Maßstäbe, die auch in unseren Ländern bei der Inventarisation beachtet werden sollten; denn alle Aspekte einer Orgel kommen zur Sprache. Umfangreiche Indizes helfen finden, was man sucht. Jedem Band ist eine Faltkarte zum Auffinden der Orte beigegeben. Man ist erstaunt über den Reichtum an Orgeln, den Lothringen zu bieten hat. Das gilt sowohl für das Zeitalter des Barock als auch für die Zeit des 19. und auch des 20. Jahrhunderts. Der Ortsindex ist für den Denkmalpfleger, den Organologen und auch den Lokalhistoriker des Trierer Raumes von Interesse; denn er erschließt über die Ortsnamen die vielfältigen Verflechtungen des lothringischen Raumes mit dem unsrigen. Das gilt sowohl für die Orgelbauer, die hüben und drüben bauten, als auch für die Ortsveränderungen von Orgelwerken in der Zeit nach der Revolution und der nachfolgenden Säkularisation, als so manches Orgelwerk aus unserem Raume nach Lothringen abwanderte. Daher seien hier einige solcher Details bekanntgemacht. Darüber hinaus werden für die Zeit, da „Elsaß-Lothringen“ nach dem deutsch-französischen Krieg 1870/71 als „Reichsland“ deutscher Verwaltung unterstand (1871–1918), die Beziehungen zur Orgelbaukunst des damaligen Deutschland sichtbar. Auf diese Verflechtungen kann hier nicht eingegangen werden. Eine Konsultation der Indizes läßt die Breite des Themas erahnen. Im folgenden sei nun auf einige Besonderheiten für den Trierer Raum (Diözese Trier) hingewiesen, die geeignet sind, die historischen und organologischen Kenntnisse für diesen Raum zu bereichern. Die Angaben sind alphabetisch geordnet. Neben translozierten Orgeln tauchen auch andere „Kirchenmöbel“ auf, die aus Trier nach Lothringen verbracht wurden.